Aus Kochs Küche

Tafelspitz

Ich lese keine Kochbücher und ich hatte keine Gelegenheit zu Hause mehr kochen zu lernen, als Kartoffeln, Bratkartoffeln, Rührei, Eierkuchen und Würstchen wärmen. Seitedem bin ich experimentierender Dilettant und gehe davon aus, das mensch gute Zutaten fast nie völlig verhunzen kann.

Das ist der Spitz

Das ein „Tafelspitz“ wohl kein kleiner Hund ist, der auf der Tafel sitzt – sei es zum Fressen oder zum Gefressen werden – konnte ich mir noch denken. Doch es hätte ebenso ein Gebäck oder eine Eierspeise sein können. Bis mir vor Jahrzehnten der Blockmeister im „HL-Markt“ in Lüchow, an dessen Stelle mittlerweile ein Bio-Markt residiert, erklärte, was es mit diesem „Hund“ auf sich hat. Es ist ein Stück von der Kuh und wird typischer Weise nicht geschmort sondern gekocht. Obwohl schmoren auch gut geht.

So hat der olle Kaiser das Rindvieh aufgeteilt

Kaiser Franz Joseph verhalf dem gekochten Rindfleisch zu großer Popularität, indem er es zu seinem Leibgericht erklärt hat. Wien hat durch die typische Zerlegung des Rinds in viele kleine Teile frühzeitig internationale Alleinstellung erzielt. Unter den vielen „Gustostückerln“ des Rinds hat dabei zweifellos der Tafelspitz die höchste Berühmtheit erlangt.

Beim Kochen des Spitzes entsteht eine wunderbare Brühe, die, wie empfohlen, nachher in Meerrettich-Soße zu verwandeln, ich nicht über mich bringe. Für mich alten Fleischfresser ist diese Brühe die halbe Miete. Wer also wirklich Meerrettich haben will, kann genug davon fertig in allen Varianten aus den Marktregalen klauben – denn die hervorragende Eigenschaft des Rettichs ist, das er scharf ist. Man kann natürlich auch einen Radi raspeln und wahlweise mit Sahne, Joghurt, Käse, Senf, Pfeffer, ggf. einem Spritzer Zitrone zu einer wunderbaren Creme vermengen. Am Besten einen Tag ziehen lassen.

Mein Kochziel ist also einmal Brühe und einmal das Fleisch als Bestandteil einer warmen oder auch kalten Mahlzeit. Am zartesten ist das Fleisch, wenn es direkt aus der warmen Brühe kommt. Dann hat es keinen Sinn schmale Scheiben schneiden zu wollen. Das Fleisch würde zerfallen. Noch besser kann mensch es auch mit einem Sägemesser zerfasern. Also lieber sehr dick schneiden und dann lieber eine halbe Scheibe auf den Teller. Ist der Spitz einmal kalt geworden, hält er etwas besser zusammen. Dann kann er auch kalt auf den Teller zu warmen Beilagen kommen oder zum Brot gegessen werden. Kalter Tafelspitz mit etwas Senf, auf einer mit kühler Butter bestrichenen Scheibe frischen Brotes, ein kulinarisches Gedicht – finde ich.

Tafelspitz ist ein Gericht, das fast vollständig aus lokalen Zutaten (Bio) hergestellt werden kann.

Dazu braucht mensch:

1 Tafelspitz, ca. 1200 bis 1500 Gramm + Wasser, viel + großer Topf + sehr scharfes Messer mit glatter Klinge + Zwiebeln, viele + Suppengrün, viel + Knoblauch, nach Geschmack + Kartoffeln, wenig für die Brühe, viel als Beilage + Salz, Menge nach Geschmack + Pfefferkörner, Menge nach Geschmack

Wer will, kann auch gerne noch Markknochen dazu tun – das gibt dann nette Bio-Schlüsselanhänger.

Viel Wasser in den Topf. Eine ungeschälte Zwiebel dazu. Das gibt nette Farbe. Salz und 5 bis 10 Pfefferkörner hinterher. Zum Kochen bringen. Den Spitz in das kochende Wasser legen. Jetzt eine Stunde köcheln.

Wenn sich „Schaum“ bildet – das ist Eiweiß aus dem Fleisch – kann man den abschöpfen. Kann mensch aber auch bleiben lassen, das geht nachher unter. Es sei denn jemand will „Klare Brühe“.

Was an klarer Brühe besser schmeckt als „nichtKlar“, hat sich mir nicht erschlossen. „Klare Brühe“ macht sich aber immer edel auf einer Speisenkarte. Ich finde: Schnickschnack.

Nun das Gemüse – in nicht zu kleine – Stücke schneiden, die restlichen Zwiebeln schälen und vierteilen und alles in den Topf. Wer will auch Knoblauch. Wer die Brühe gehaltvoller will, würfelt die Kartoffeln und gibt sie dazu.

Weitere eineinhalb bis zwei Stunden köcheln. Der Spitz ist gar, wenn er vom Messer oder der Vorlegegabel rutscht, wenn man versucht ihn damit aus der Brühe zu heben. Bitte nicht zu oft reinpieken und auf die Brühflut achten, wenn der Spitz aus halber Höhe in den Topf klatscht.

Dann das Fleisch rausnehmen, auf einem Brett in dicke Scheiben schneiden und mit selbstgemachten oder gekauften Soßen, für Liebhaber desselben auch Senf und Salzkartoffeln auf die Teller. Dazu vielleicht einen Gurkensalat oder die Teller mit Apfelspelzen garnieren. Mahlzeit.

Die Brühe kann mensch als Nachtisch schlürfen oder am nächsten Tag essen – hier ist aufwärmen kein Nachteil. Den restlichen Tafelspitz dann in Stücken in die Brühe oder kalt aufs Brot packen. So reicht das für ein ganzes Wochenende.

Dieses „Rezept“ ist für viele Veränderungen offen.