Wachstum, Preise und Berichterstattung

Die Elbe-Jeetzel-Zeitung ist das Lokalblatt im Wendland. Sie hat eine relativ große Lokal-Redaktion, aber Überregionales bekommt sie vom Verbund des Niedersächsischen Tageblatts. Über diesen Verbund wird die Region – denn das steht dann nicht nur in der EJZ sondern in den meisten Lokalblättern Nordostniedersachsens – unter anderem mit tiefgründigen Wirtschafts-Informationen versorgt.

Ein Beispiel aus dem Oktober:

13.10.23, Rubrik Börse, Überschrift „Strom und Gas teurer“, Unterüberschrift „Höhere Steuer auf Erdgas und Fernwärme – Energiepriese könnten auch durch einen kalten Winter steigen“.

Tatsächlich! Ein kalter Winter könnte die Energiepreise steigen lassen. Das nenne ich Experten-Wissen.

14.10.23, Rubrik Börse, Überschrift „Warm, aber preiswert“, Unterüberschrift „Mit der einsetzenden Kälte kehren die Sorgen vor hohen Heizkosten und möglichen Gasengpässen zurück“.

Also ist klar, Energie wird teurer, aber preiswert. Klasse. Ist es nur die Kälte, die Sorgen vor hohen Heizkosten verursacht, oder liegt es auch an Überschriften, wie der vom 13. Oktober?

Das würde dann gut passen. Bösartig könnte man es „self fulfilling Prophecy“ nennen.

Allerdings stehen uns wirklich erhebliche Preiserhöhungen für Gas und Fernwärme ins Haus: Die letztes Jahr wegen der Inflation gesenkte Mehrwertsteuer wird wieder von 7 auf 19 Prozent angehoben (also mal eben 12 Prozent mehr). Übrigens: Die Ausgangs-Ursache für die Inflation sind die hohen Energiepreise. In allen Ländern die auf dem Weltmarkt nennenswert agieren, sind die Energiekosten signifikant niedriger. In fast allen Ländern werden die Extraprofite der Multis auf die eine oder andere Art abgeschöpft. Nur in Deutschland konnte der Finanzminister da leider garnix machen. Bestimmt haben die im  Konzerne dafür im Gegenzug auch wie wild in Deutschland investiert, oder? Komisch, das darüber nix in der EJZ stand.

Nun muß der Herr Lindner ja auch irgendwo das Geld für die Sondervermögen des Bundes hernehmen. Da braucht er viel, weil er gemeinsam mit der schwäbischen Hausfrau weiß: „Man kann nicht mehr ausgeben als man einnimmt.“ Das hört sich solide an. Es trifft auf die Hausfrau auch zu.

Aber mein lieber Herr Finanzminister, Kapitalismus funktioniert anders. Kapitalismus kann nur mit stetem Wachstum funktionieren. Staatliche Schulden und Bürgschaften sind der Motor des Wachstums.

Allerdings ist es dieses Wachstum, das die Welt zu Grunde richtet. Bestimmt macht der Herr Lindner nur aus Gründen des Umweltschutzes keine neuen Schulden. Das beruhigt möglicherweise sein Gewissen, weil er mit seinem Porsche nach Hause fährt.

hk-k